Gestresst durch die Pandemiezeit? Achten Sie auf sich!
Die lange Corona-Zeit hat viele Lehrkräfte an den Rand des Burn-outs gebracht. Doch wie stärken Sie am besten Ihre seelische Widerstandskraft? Probieren Sie es doch einmal mit den praktischen Achtsamkeitsübungen aus diesem Beitrag.

Freunde treffen, mit der Familie feiern, Sauna, Urlaub, Schwimmbad, Sport mit anderen, Unterricht nach Stundenplan, wissen, was morgen zu tun ist – das sind normalerweise Selbstverständlichkeiten. Doch während der Corona-Pandemie war alles anders.
Bereits im November 2020 waren Lehrerinnen und Lehrer „durch die anhaltende Corona-Krise massiv belastet“, wie eine DAK-Studie in Nordrhein-Westfalen ans Licht brachte. Jede vierte Lehrkraft sei „regelmäßig emotional erschöpft“ und zeige „Burn-out-Symptome“. Und das bei einer dauerhaft höheren Arbeitsbelastung: Im Schnitt arbeiteten Pädagogen/-innen „pro Woche fast einen Arbeitstag zusätzlich“, über 90 Prozent der befragten Lehrkräfte gaben an, dass der Schulunterricht „im Vergleich zum Vorjahr deutlich anstrengender“ geworden sei (ebd.).
Noch immer ist die Pandemie nicht gebannt, und wir werden wohl noch eine ganze Weile oder auch auf Dauer mit dem Virus leben müssen. Doch nach dieser langen stressigen Zeit mit Unwägbarkeiten, Mehrarbeit und Gesundheitsrisiken ist es auch höchste Zeit, dass Sie als Lehrkraft einmal an sich denken und sich etwas Gutes tun. Wie wäre es zum Beispiel mit einem Resilienz-Training, das Ihnen über die stressigen Monate bis zu den nächsten Ferien hilft und Sie nachhaltig stärkt? Mit den Achtsamkeits-Übungen im folgenden Beitrag können Sie direkt loslegen, wenn Sie wollen.
Belastende Alltagssituationen anders wahrnehmen
Was sind Achtsamkeitsübungen? Und wieso eignen sie sich besonders gut, um die seelische Widerstandskraft, die Resilienz, zu stärken? Stellen Sie sich dazu bitte einmal die folgende Situation vor: Sie unterrichten eine Stunde lang in einer Klasse mit 20 Schülerinnen und Schülern. 19 von ihnen machen super mit. Doch ein Junge ärgert Sie. Die meisten von uns neigen dazu, dieses negative Erlebnis überzubewerten: „Warum verdirbt uns ein einziger Schüler, der stört, die Freude über 19 andere, die hoch motiviert arbeiten?“ fragt Dr. Martina Aßmann, Arbeitsmedizinerin vom Resilienzzentrum Hamburg, in einem Workshop zum Thema „Achtsamkeit und Resilienz für Lehrkräfte“. (vgl. dazu das E-Learningpaket auf der Website der „ZEIT für Lehrer [sic!]“, das für registrierte User kostenfrei ist.)
Solchen Bewertungen wirkt eine achtsame Wahrnehmung entgegen: Sie richtet sich auf alles, was im gegenwärtigen Augenblick stattfindet. Alles darf sein, nichts wird bewertet. In unserem Beispiel führt das dazu, dass Sie alle Schüler/-innen gleichermaßen wahrnehmen und nicht bei dem einen verharren, der Sie provoziert hat. Das weitet Ihren Blick und führt „im besten Fall“ dazu, „dass Sie nicht nur die negativen Aspekte einer Situation sehen“, sondern auch das, was gut läuft und worüber „Sie die Kontrolle haben“, schreibt Martina Aßmann im Buch zum Video-Seminar (S. 13).
Kleine Übungen zum Einstieg
Falls Sie noch keine Erfahrung mit Achtsamkeitsübungen haben, beginnen Sie am besten mit kurzen und einfachen Meditationen, zum Beispiel mit der Rosinenübung, die Ihnen der unten verlinkte Beitrag „Achtsamkeit oder die Kunst, eine Rosine zu essen“ vorstellt.
Das Schöne an der Achtsamkeit ist, dass man sie ganz leicht in den Alltag integrieren kann. Im Grunde kann man ja fast alles achtsam tun: abspülen, duschen, ein paar Schritte gehen oder Rad fahren, sich mit jemandem unterhalten etc. Im Netz gibt es auch viele Meditations-Videos. Hier ist es gut, darauf zu achten, ob die Stimme und das Sprechtempo des oder der Anleitenden angenehm ist, ob die Tonqualität stimmt, und ob die Aufnahme frei von sonstigen Störungen ist.Auch zu laute Musik oder Musik, die Sie nicht mögen, kann stören.
Eine wunderbare Übung vor dem Einschlafen ist der Body-Scan. Dabei wandern Sie mit den Gedanken durch Ihren ganzen Körper. Dr. Martina Aßmann weist in ihrem Body-Scan immer wieder darauf hin, dass alles, was Ihnen während der Meditation an Gedanken, Gefühlen oder Körperempfindungen begegnet „in Ordnung“ ist. Ihre Botschaft: Du kannst nichts falsch machen, lass einfach los und mach weiter.“ Das ist hilfreich, denn auch beim Meditieren neigen wir manchmal dazu, uns oder etwas zu bewerten.
Neun praktische Lektionen in Achtsamkeit
Einen kostenfreien, auch für Nicht-Mitglieder nutzbaren, Online-Kurs zum Thema „Meditation und Achtsamkeit“ bietet die Technikerkrankenkasse auf der Website TK-GesundheitsCoach. Jede der neun aufeinander aufbauenden Lektionen beleuchtet einen bestimmten Aspekt des Achtsamkeitstrainings. Und jede Einheit bietet neben Hintergrundinfos Übungen für die kommende Woche.
In der Einführungslektion sieht das dann so aus: Ein Wissenstext erklärt, „was genau man unter Achtsamkeit versteht“. Dabei wird der Leser oder die Leserin direkt angesprochen und interaktiv einbezogen:
„Überlegen Sie kurz: Was bedeutet Innehalten für Sie? Wie würden Sie es angehen? Wenn Sie spontan ratlos sind, macht das nichts. In diesem Achtsamkeitstraining werden Sie es lernen – sofern Sie unsere Übungen und Anregungen ausprobieren.“
Es folgt ein kurzer Selbsttest und dann das Herzstück: ein Audiofile mit einer Sitzmeditation zum „Innehalten und zur Wahrnehmung der Erfahrung des Augenblicks“. Für Meditations-Unerfahrene ist die Sprache möglicherweise etwas gewöhnungsbedürftig. Da soll beispielsweise der oder die Übende nachspüren, wo der Körper „Kontakt hat mit der Unterlage“, und wird gefragt: „Mögen Sie vielleicht den Körper begrüßen? Ihn willkommen heißen?“ Doch auch wenn so eine Formulierung anfangs befremdlich oder komisch erscheinen mag, mit fortschreitendem Praktizieren der Übung entdeckt man vielleicht den tieferen Sinn dahinter. Denn: Achtsamkeit heißt auch, eine gesunde Distanz zu eingefahrenen Sichtweisen einnehmen, und sich selbst und alles, was ist, liebevoll und wertschätzend wahrzunehmen.
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