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Selbstsorge

Gesundheitsvorsorge: positive Rituale und das Neinsagen lernen

Wer sich nicht um sich selbst kümmert, hat schnell verloren: seine Kraft und seine Gesundheit. Damit man sich nicht zu viel aufhalst, helfen positive Rituale im Privaten und das Neinsagen-Lernen im Schulalltag.

Selbstsorge: Gesundheitsvorsorge: positive Rituale und das Neinsagen lernen Wer ein Tagebuch führt und täglich notiert, was ihm Positives begegnet ist, rückt nicht nur den Alltag ins rechte Licht, sondern tut auch etwas für sein Wohlbefinden © Antonioguillem - Fotolia.com

In der Serie „Das anonyme Job-Protokoll“ auf Spiegel ONLINE erzählen Menschen, was ihren Job prägt. So berichtet z. B. ein Sonderpädagoge sehr konkret und differenziert, warum er seinen einstigen Traumberuf nicht noch einmal ergreifen würde und zu welchen Einsichten ihn die Arbeit in der Institution Schule gebracht hat. Nach einer halbjährigen Krankheitsphase wegen einer Depression stellt sich ihm mit Anfang 30, seine berufliche Zukunft bedenkend, die Frage: „Halte ich so lange durch? Ich weiß es nicht. Auf die Frage, ob ich noch mal Lehrer werden würde, antworte ich heute mit einem klaren Nein. Und das liegt nicht an den Schülern.“

In der Schule sollten zwar die Schüler im Zentrum des Bemühens stehen, doch macht es häufig den Eindruck, dass die Struktur, Entwicklung und Dynamik der Institution mit ihrem Vorschriften-, Ordnungs- und Regelwerk die Lehrkräfte weit mehr belastet, als das Unterrichten und die Arbeit mit den Schülern. Hier kurzfristig Abhilfe zu schaffen überfordert die Kraft der einzelnen Lehrkraft. Ihr helfen daher, nach dem Erkennen der Belastungen, nur Strategien, mit diesen so umzugehen, dass sie der eigenen Gesundheit und Lebensfreude nicht schaden. Die Entwicklung und das Praktizieren einer individuellen, persönlichen Ritualpraxis und der Mut, bei Wünschen von Vorgesetzten auch manchmal Nein zu sagen, können hilfreiche Wege sein, die die einzelne Lehrkraft vor resignierendem „Dienst nach Vorschrift“ oder Schlimmerem bewahren.

Rituale der Selbstsorge entwickeln und pflegen

Lehrkräfte lernen in ihrer Ausbildung viel über die Wirkung von positiven Ritualen in der Unterrichts- und Erziehungsarbeit. Beim Blick auf sich selbst und ihr Handeln kommen diese Erkenntnisse jedoch häufig nicht zum Tragen. Dabei können ritualisierte Handlungsweisen, bzw. feste Gewohnheiten, gerade in turbulenten Zeiten und in Phasen, in denen einem alles über den Kopf zu wachsen droht, stressmildernd wirken. Das eigene Wohlbefinden und das Miteinander aller an der Schule können durch entsprechende Rituale positiv beeinflusst werden. Sind sie doch gewisse persönliche und soziale Automatismen, die es dem Einzelnen oder der Gruppe erlauben, das Denken und Handeln auf die Dinge zu richten, die neu oder besonders komplex sind. Wichtig dabei ist allerdings, dass die Balance zwischen Ordnung und Freiheit auch von Zeit zu Zeit austariert wird, was entsprechender Überprüfung bedarf.

Unter der Vielzahl der Möglichkeiten, muss jeder herausfinden, was ihm entspricht, guttut, „seins ist“. Professionelle Berater und Beratungsliteratur können Denkanstöße geben, mehr nicht. Für Rituale der Selbstsorge ist es nie zu spät. Auch Rückschläge und Krisen sind Teil einer Entwicklung, indem sie neue Einsichten und Perspektiven eröffnen. Geduld mit sich selbst ist durchaus lernbar. Jeder hat aber auch die Freiheit, zu jammern und die Dunkelheit zu beklagen, anstatt eine Kerze anzuzünden.

Körper, Geist und Seele ins Ritual einbeziehen

Neben den allseits bekannten „Ritualen für den Körper“, die persönliche Fitness und die Gesundheit, sollte auch das Augenmerk auf „Rituale zur Arbeit am Sinn“ und „Rituale der Muße“ gelegt werden.

Manche Menschen führen z. B. ein „Tagebuch der schönen Momente“. Sie notieren täglich mit Datum in eine Kladde, was sie am Tag gefreut hat und was ihnen gut gelungen ist. Das Schreiben kann allerdings auch um einige Punkte erweitert werden. Beispielsweise kann man das Wichtigste, was man erledigt hat, notieren, oder auch, was man gelernt hat bzw. welche Einsichten und Geistesblitze einem gekommen sind. Hilfreich kann es auch sein, Erkenntnisse, Ideen oder besondere Entscheidungen festzuhalten. Oder man zieht in gewisser Weise eine „Wochenbilanz“, d. h. man notiert einmal wöchentlich, wofür man sich besonders dankbar fühlt. Denkbar ist auch, Briefe an Personen zu schreiben, denen man danken möchte. Ob man die Briefe abschickt, ist dann eine andere Entscheidung.

Ein weiteres Arbeiten am Sinn könnte mit einer „Schatztruhe der schönen Erinnerungen“ erfolgen. Hierzu sammeln sie in einer Schachtel Bilder, Fotos und Gegenstände von Momenten, in denen sie glücklich waren. Man nimmt diese Schatztruhe von Zeit zu Zeit her, nimmt die Gegenstände in die Hand und freut sich über die Glücksmomente, die man erfahren durfte.

All diese Rituale erfordern allerdings Zeit, die man sich hierfür im Tages- oder Wochenrhythmus einräumen sollte. Auch Muße will gelernt sein. Seien es Zeiten für Rituale der Entspannung, der Reflexion, der Meditation, des Zu-sich-Kommens, oder Zeiten für Yogaübungen, Tai Chi und anderes. Der Fantasie sind hier keine Grenzen gesetzt. Wichtig ist, dass man sich für sein Ritual der Muße täglich angemessene Zeit einräumt. Außer, man hat besonders viel zu tun, empfindet besonders großen Stress. Dann sollte man sich für sein Ritual der Muße die doppelte Zeit des Üblichen einräumen.

Nein-Sagen lernen, indem man Ja zu sich selbst sagt

In jeder Schule gibt es eine Vielzahl von Aufgaben, die neben dem Unterrichten von Lehrkräften zu erledigen sind. Fachräume und Sammlungen sind zu betreuen, besondere Veranstaltungen für Schüler, Eltern Lehrkräfte sind zu organisieren und inhaltlich zu gestalten, Öffentlichkeitsarbeit ist zu leisten usw. Vorgesetzte betrauen hier verständlicherweise diejenigen Lehrkräfte mit Sonderaufgaben, von denen sie erwarten können, dass sie diese auch erfolgreich und zur Zufriedenheit aller erledigen. Oder Vorgesetzte bemühen sich durch Lob und Förderung geeignete Lehrkräfte für Funktionsstellen in der Bildungshierarchie zu motivieren. Dies führt nicht selten bei besonders engagierten Lehrkräften dazu, dass sie sich zu viel zumuten bzw. aufladen lassen. Häufig auch deshalb, weil sie sich scheuen „Nein“ zu sagen oder glauben, nicht Nein-Sagen zu können.

Das Problem beim Nein-Sagen ist, dass derjenige, der Nein sagt, anderen Grenzen setzt, dass er sich und seine Bedürfnisse wichtig nimmt, dass er sich nicht anpasst. Das macht anscheinend Angst. Ja-Sager hingegen nehmen andere wichtig und sagen „um des lieben Friedens willen“ ja. Sie passen sich an und ordnen sich unter. Ursache für das Ja-Sagen ist nicht selten eine „gute“ Erziehung, die das Nein-Sagen des Kindes als etwas Ungehöriges vermittelt hat. Eine Erziehung in Richtung „Gehorsam“ macht es einem Erwachsenen oft schwerer „Nein“ zu sagen. Doch muss die Erziehung nicht das Schicksal bis ans Lebensende prägen. Auch das Nein-Sagen kann man in jedem Alter lernen.

Wirksames Nein-Sagen beginnt mit einem „Ja“ zu dem, worauf es einem ankommt. Das setzt die Selbsterforschung voraus. „Was will ich?“, muss geklärt werden. Auf der Grundlage des Ja zu sich erfolgt das Nein zu den Wünschen des anderen. Nach einem klaren Nein kann mit einem Ja ein Kompromiss angeboten werden. Bei einem Nein sollte man sich allerdings weniger um die Gedanken des anderen kümmern. Man muss versuchen, Unangenehmes zu sagen, ohne unangenehm zu sein. Der Ton macht hier die Musik.

Sich vor Entscheidungen eine Bedenkzeit einzuräumen bzw. einräumen zu lassen, kann hilfreich sein. Eine Hilfe kann auch der 10-10-10-Prozess sein. Man fragt sich: Wie geht es mir mit dieser Entscheidung in 10 Minuten, in 10 Monaten, in 10 Jahren? Das „emotionale Erfahrungsgedächtnis“ kann hierbei als Ratgeber zur Geltung kommen. „Wie fühle ich mich mit dieser Entscheidung in 10 Monaten, wie in 10 Jahren?“ Auch das Denken an Situationen, in denen man Nein gesagt hat, kann die eigene Souveränität bei Entscheidungen fördern. Trotz allem bleibt das Neinsagen immer schwierig, denn soziale Bindungen und das Von-Anderen-Gemocht-Werden erleben wir als angenehmer, als die zu erwartende frostige Stimmung oder das Abgelehnt-Werden nach dem Durchsetzten der eigenen Interessen.

Doch das Nicht-Neinsagen-Können hat langfristig seinen Preis. Er heißt persönliche Unzufriedenheit, Erschöpfung und im Endzustand nicht selten Burnout.

Klaus Vogel

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