Jugendliche für den Schutz der Privatsphäre sensibilisieren
Wenn Jugendliche im Internet allzu viel von sich preisgeben, kann das böse Folgen haben. Trotzdem unterschätzen die meisten Jugendlichen die Gefahren. Wer im Unterricht die Risikokompetenz der Schüler fördern möchte, sollte deshalb möglichst „hautnah“ vermitteln, welche Konsequenzen ein freizügiger Umgang mit privaten Daten für die Schüler selbst haben kann.

Vehemente Widerstände sind zu erwarten, wenn man Jugendlichen aus erzieherischen Gründen das Handy wegnehmen will. Bisweilen wird sogar gebissen oder Schlimmeres. Die mit „Big Data“ einhergehenden immensen Risiken durch Überwachung oder Datenmissbrauch und der zunehmende Verlust der Privatsphäre bringt hingegen die wenigsten jungen „Digital Natives“ auf die Barrikaden: Nur 3 Prozent der Jungen und 7 Prozent der Mädchen sehen im Verlust der Privatsphäre überhaupt eine ernsthafte Gefahr, wie eine Onlinebefragung aus dem Jahr 2010 zeigte. Meist mangelt es zudem an der Bereitschaft, datenschutzbedingte Einschränkungen im Nutzungsverhalten hinzunehmen. Der Grund: Das Schutzbedürfnis kollidiert u. a. mit „dem Wunsch nach Teilhabe und Information, ebenso wie [mit] dem Bedürfnis nach Dienstleistung und Unterhaltung“, so die Autoren der Website klicksafe.de.
Risiken für die Schüler „erlebbar“ machen
Didaktisch wirksame Medien zum Thema Privatsphäre zielen deshalb auf die persönliche Erfahrungswelt der Schüler. Hier ein paar besonders gelungene Beispiele dafür:
- Videos wie zum Beispiel „Das Internet vergisst nie“ handeln von Protagonisten, mit denen sich die Schüler identifizieren können.
- Gut gemachte Kurzfilme, etwa „Wir lieben Überwachung“, bieten einen hohen Unterhaltungswert und haben das Zeug zum „coolen Insidertipp“ unter Schülern zu werden.
- Die Broschüre „Entscheide du — sonst tun es andere für Dich!“ fesselt ihre jungen Leser durch eine jugendgerechte Sprache und bietet wirklich prekäre Beispiele aus dem Alltag von Jugendlichen. („Shit happens!“)
- Die interaktive Dokumentation „Big Data: die Welt der Algorithmen“ der Reihe „do not track“ lässt den Zuschauer/User am eigenen Leib erfahren, wie sein Verhalten im Internet (Klickhäufigkeit, Verweildauer etc.) analysiert und z. B. zur Bewertung seiner kognitiven Fähigkeiten herangezogen wird: „36 Klicks — Sie sind hyperaktiv“, „76025 Pixelstrecken — mittlere Mobilität. Sie sind aufmerksam“, „231 Sekunden — Sind Sie in Eile?“, „3 Inhalte von 9 angesehen — Sie haben einen Grad an Aufmerksamkeit wie ein Goldfisch“.
Diese Materialien könnten an verschiedenen Stellen in das folgende Stundenraster eingebaut werden.
Einstieg: „Bleib geheimnisvoll!“
Multimediadidaktik-Studenten der Universität Erlangen-Nürnberg widmen sich in einem kurzen Video in Simpleshow-Manier dem Thema „Du und Deine Daten!“ Sie versuchen dabei, die Schüler mit provokanten Fragen zu sensibilisieren: „Was würdest du einem Fremden auf der Straße erzählen?“ oder „Wie wäre es, wenn deine neuesten Urlaubs- oder Partyfotos in der gesamten Innenstadt hängen würden?“ Solche analogen Alltagsszenarien sensibilisieren die Schüler für die Tragweite eines allzu freizügigen Umgangs mit persönlichen Daten im Netz.
Gruppenarbeit: Private Daten in den falschen Händen
An den Film schließt sich eine Phase für Gruppenarbeit an, in der die Schüler anhand der folgenden Situationen zunächst überlegen:
Welche privaten Daten (Fotos, Videos, Postings etc.) würde ich nicht …
- an das Schwarze Brett in der Schule hängen,
- einem potenziellen Arbeitgeber verraten,
- meinen Eltern oder Lehrern zukommen lassen,
- einem Jungen/Mädchen preisgeben, mit dem ich „verfeindet“ bin,
- …
Die Ergebnisse werden gesammelt und dienen als Grundlage für den nächsten Schritt: Wie sieht das jetzt mit den persönlichen Daten im Netz aus? Denn ein bewusster Umgang mit privaten Daten setzt voraus, dass sich die Schüler über die Folgen ihres Tuns im Klaren sind. Deshalb greift sich jede Gruppe anschließend eine der Situationen heraus und überlegt sich bis ins Detail, welche Konsequenzen es haben könnte, wenn z. B. der Arbeitgeber Partyfotos im Netz entdeckt oder wenn alle in der Schule (am Schwarzen Brett) sehen könnten, dass Marie Tim „total süß“ findet. Die Ergebnisse der Schüler werden im Plenum besprochen und ergänzt.
Im Rahmen einer mehrstündigen Unterrichtseinheit entwickeln die Schüler anschließend ein kleines Drehbuch für einen „Minispielfilm“ oder eine Fotostory zum Thema „Schutz der Privatsphäre im Netz“. Vielfältige Anregungen für eine spannende Story liefert die oben genannte Broschüre „Entscheide du – sonst tun es andere für Dich!“ (Link s. o.); ein besonders gelungenes Filmbeispiel mit Pointe stellt dieser Spot dar, der im Kontext der Kampagne „Watch Your Web“ entstanden ist.
Die besten Filme und Foto-Stories der Gruppen könnten dann anlässlich eines schulweiten Projekttages von einer Jury aus Lehrern und Schülern im Rahmen eines Wettbewerbes prämiert werden
Datenspuren im Internet — ein Praxisprojekt
Am wirkungsvollsten ist die Sensibilisierung für den Selbstschutz sicherlich dann, wenn die Schüler erleben, welche Risiken ihre tatsächlichen Aktivitäten im Netz bergen. — Auch das ist möglich, wie ein Unterrichtsprojekt in Hamburg zeigen konnte. Dabei bewegten sich die Schüler, getarnt als fiktive Personen, genau wie in ihrer Freizeit im Internet: Sie chatteten, spielten Ego-Shooter-Spiele, stellten peinliche Bilder ins Netz usw. Die Datenspuren, die sie dabei hinterließen, wurden anschließend sichtbar gemacht und ausgewertet.
Wie sich das praktisch umsetzen lässt und was dabei alles zu bedenken ist, zeigt eine detaillierte Anleitung in der Broschüre „Meine Daten kriegt ihr nicht! — Unterrichtseinheit: Datenschutz“ der Hamburger Schul- und Datenschutz-Behörden.
Das sehr vorbereitungs- und zeitintensive Projekt lässt sich am besten in Zusammenarbeit mit Kollegen bewerkstelligen. — Im Idealfall ist auch der Internetbeauftragte der Schule oder ein IT-Lehrer mit von der Partie.
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