Wenn Eltern Klassenfahrten nicht bezahlen können
Klassenfahrten gehören zu den Highlights des Schullebens. Leider sind sie auch ein echter Kostenfaktor und stellen finanziell belastete Familien vor Probleme. Wer die Regeln für staatliche Zuschüsse kennt, kann verhindern, dass Schüler zu Hause bleiben müssen.

Im Werbespot einer Bank ist alles ganz einfach: Ein circa 15-jähriges Mädchen springt begeistert aus dem Haus und ruft: „Papa, Super! Die Klassenfahrt geht nach Paris!" (Targobank, Werbefilm) Beim Gedanken an die Kosten ruiniert der Vater vor Schreck seine bereits halbfertige, selbstgezimmerte Gartenhütte. Doch der Kredit, im Werbefilm durch einen graubärtigen Mann personifiziert, ist schon zur Stelle und versorgt das schockgebeutelte Familienoberhaupt mit Beruhigungskaffee. Schön, wenn finanzielle Schwierigkeiten so schnell aus der Welt geschafft werden. Im realen Leben sieht es leider nicht immer so rosig aus. Gabriele Böckler (Name geändert) arbeitet an einer Hauptschule im niedersächsischen Cloppenburg. Sie sagt: „Viele meiner Schüler stammen aus Familien, die finanziell arg belastet sind. Deswegen fahren wir meistens an die nicht weit entfernte Nordseeküste. Das hilft, Kosten zu sparen. Trotzdem kommt es immer wieder vor, dass einzelne Schüler zu Hause bleiben müssen." Für die Betroffenen eine Tragödie. Klassenfahrten gehören zu den Ereignissen, die die intensivsten Erinnerungen an die Schulzeit hinterlassen. Traurig, wenn jemand in der Parallelklasse am Unterricht teilnehmen muss, während Freunde und Mitschüler zusammen verreisen.
Anspruch auf Kostenübernahme für Leistungsempfänger
Dabei haben viele Familien, deren Einkommen zu knapp ist, um teure Schulfahrten zu bezahlen, einen Anspruch auf Kostenübernahme. Vor allem wenn die Eltern Arbeitslosengeld II beziehen, ist die Finanzierung gesichert. Antje Asmus vom Verband alleinerziehender Mütter und Väter sagt auf Nachfrage: „Eine Möglichkeit, Unterstützung für die Finanzierung von Klassenfahrten zu erhalten ist, Leistungen des sogenannten Bildungspakets dafür zu beantragen. Leistungsberechtigte in der Grundsicherung nach SGB II und SGB XII sowie Kinder und Jugendliche aus Familien, die Kinderzuschlag, Wohngeld oder Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz erhalten, haben nach dem Bundeskindergeldgesetz Anspruch auf das Bildungspaket. Dafür muss ein gesonderter Antrag (zum Beispiel beim Jobcenter) gestellt werden.“
Links zum Thema:
Wird im Rahmen einer Klassenfahrt nach Berlin der Bundesrat besucht, kann ein kleiner Fahrtkostenzuschuss beantragt werden.
Auf der Website sozialleistungen.info kann man sich über staatliche Hilfen informieren und mit anderen Betroffenen austauschen.
Informationen rund ums Bildungspaket finden sich auf der Homepage des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales.
Der Anspruch ergibt sich aus § 23 Abs. 3 Ziffer 3 SGB II, hier heißt es: „Leistungen für mehrtägige Klassenfahrten im Rahmen der schulrechtlichen Bestimmungen sind nicht von der Regelleistung umfasst. Sie werden gesondert erbracht." Mit anderen Worten: Die Rechnung für eine Klassenfahrt braucht nicht aus dem Familienbudget bezahlt werden. Das Jobcenter muss die Kosten separat übernehmen. Und zwar in voller Höhe: Laut einem Grundsatzurteil des Bundessozialgerichts (Aktenzeichen: B 14 AS 36/07 R) in Kassel ist „Die Begrenzung der Kostenerstattung für Klassenfahrten ... nicht vom Gesetz gedeckt." Wer anspruchsberechtigt ist, bekommt den vollen Betrag.
Dies gilt jedoch nur, solange der Betrag nicht über den Obergrenzen liegt, die in vielen Bundesländern für Exkursionen festgelegt sind. So darf zum Beispiel an Hamburger Schulen eine Klassenfahrt für die Jahrgangsstufen 1-4 maximal 200 Euro kosten, für die Klassen 5 und 6 dürfen 250 Euro ausgegeben werden, in den Jahrgängen 7-10 sind es 300 Euro (Fachanweisung zu § 28 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 SGB II). Wird eine teurere Fahrt veranstaltet, brauchen Jobcenter und Co. die Summe, die über der Obergrenze liegt, nicht zu übernehmen. Ein Grund mehr für Lehrer, sich zu informieren, ob derartige Limits im eigenen Bundesland gelten.
Problem für Geringverdiener ohne staatliche Unterstützung
Weniger entgegenkommend zeigen sich die Behörden bei Geringverdienern, die ohne staatliche Hilfsgelder auskommen. Schaffen es die Eltern nicht, die Kosten für die Klassenfahrt selbst zu stemmen, kann auch hier ein Anspruch auf einen Zuschuss geltend gemacht werden. Dieser fällt jedoch längst nicht so umfassend aus, wie beispielsweise bei ALG-II-Empfängern.
So kann bei der Kommune eine Förderung beantragt werden. Hierzu müssen Einkommensnachweise und Unterlagen zu Dauer und Kosten der Fahrt eingereicht werden. Ob und in welcher Höhe der Antrag bewilligt wird, richtet sich nach dem Ermessen des zuständigen Sachbearbeiters und nach örtlichen Konventionen. Oft werden 20-30% der Fahrtkosten übernommen.
Ist hier nichts zu holen, bieten die Fördervereine vieler Schulen einen Zuschuss an.
Auf die Frage, wer bei Alleinerziehenden für die Fahrtkosten aufkommen muss, antwortet Antje Asmus: „Bei getrennt lebenden Eltern, bei denen einer der Elternteile kindesunterhaltspflichtig ist, kann bei einer Klassenfahrt ins Ausland unter Umständen Sonderbedarf geltend gemacht werden. Das heißt, dass der kindesunterhaltspflichtige Elternteil einen Teil der Kosten für diese Klassenfahrt mittragen muss — zusätzlich zum regulären Kindesunterhalt. Für „normale“ Klassenfahrten wird in der Regel kein Sonderbedarf anerkannt.“
Darüber hinaus existieren vereinzelt Förderungsmöglichkeiten, von denen alle Schüler profitieren. So gewährt der Bundesrat einen kleinen Fahrtkostenzuschuss, wenn eine Besichtigung des Verfassungsorgans auf dem Programm steht, für bestimmte Gedenkstätten gelten mitunter ähnliche Regelungen.
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