Körpersprache: kleine Gesten – große Wirkung
Mit den folgenden Praxistipps optimieren Sie Ihre kommunikative Performance und punkten: vor der Klasse, im Lehrerzimmer, bei den Eltern und vielleicht ja auch privat.

„Ich war meine gesamte Schulzeit in ihn verliebt!“, gesteht Moderatorin Barbara Schöneberger in der „NDR Talk Show“ am 28.08.2020, als sie ihren Gast ankündigt: Robert Atzorn, der in den 90er-Jahren die Hauptrolle in der Serie „Unser Lehrer Doktor Specht“ spielte. Wer auch nur drei Minuten der allerersten Folge „Vaterfreuden“ ansieht, erlebt einen Deutschlehrer, der alles im Griff hat. Seine Schülerinnen und Schüler lauschen seinen Ausführungen gebannt, selbst wenn es um Goethe geht. Eine verliebte, leicht zudringliche Schülerin wimmelt er humorvoll-locker aber bestimmt ab, und einem ihm wenig freundlich gesonnenen Kollegen, Heinz Hoenig alias Sportlehrer Rösler, gibt er im Vorbeigehen gewitzt Kontra.
Auf den ersten Blick ist Lehrer Doktor Specht ein toller Hecht, der sich für seine Zehntklässler/-innen fast bis zur völligen Selbstaufgabe einsetzt. Und wenngleich eine gesunde Work-Life-Balance im Lehrerberuf anders aussieht, so macht Atzorn alias Specht doch in puncto Körpersprache vieles lehrbuchmäßig richtig, anderes erfrischend unkonventionell.
Das körpersprachliche Repertoire erweitern
Im Grunde ist Körpersprache auch eine Sprache, deren Wortschatz wir durch Beobachten und Ausprobieren in verschiedenen Situationen laufend erweitern können. Dabei gehen wir genauso vor wie ein Schauspieler oder eine Schauspielerin: Wir eignen uns ein neues Muster an und internalisieren es zunehmend. Oder anders ausgedrückt: Wir tragen äußerlich etwas zur Schau, und das Innere zieht nach; wir verschmelzen praktisch mit der neuen Rolle.
Starten Sie einfach einmal mit ein paar Specht-Folgen oder auch mit einer anderen Person, deren Körpersprache Ihnen womöglich mehr liegt. Dabei achten Sie zunächst ganz bewusst auf die verschiedenen Elemente der Körpersprache (vgl. dazu: Alexander Gröschner in der Zeitschrift „Bildungsforschung“, S. 13):
- auf die Mimik, „vor allem auf das Blickverhalten“,
- auf die Gestik, also auf „sprachbezogene Gesten und Manipulationen“,
- auf „Körperstellung und -haltung“
- und auf die „Proxemik“, also die „Bewegung im Raum“.
Wenn Sie dabei den einen oder anderen „Move“ entdecken, mit dem Sie Ihr eigenes nonverbales Inventar erweitern möchten, probieren Sie es einfach in realen Unterrichts-situationen aus: Das könnte zum Beispiel im Unterricht der gelegentliche Gang durch die Klasse sein, bei dem Sie direkt auf Schüleräußerungen eingehen und sich den Jugendlichen dabei voll zuwenden und Blickkontakt aufnehmen. Oder sie überlegen sich einige redebegleitende Gesten, die Sie wie Specht locker im sogenannten positiven Bereich (oberhalb der Gürtellinie bis zur Brustlinie) ausführen. Dabei, oder auch wenn Sie ein Buch oder einen Ordner in Händen halten, ist es wichtig, dass Sie keine Blockaden aufbauen, etwa indem Sie den Gegenstand so halten, dass Ihr Gegenüber Ihr Gesicht und Ihren Brustbereich nicht mehr sehen kann.
Video-Tutorials mit Tipps und Tricks für Lehrkräfte
Wenn Sie einmal die Begriffe „Körpersprache“, „Lehrkraft“ und „Video“ googeln, erhalten Sie viele, meist kurze Coaching-Videos mit guten Impulsen. Da erläutert beispielsweise Karsten Lehmann die Grundlagen der Lehrer-Körpersprache und gibt konkrete Praxistipps: Mit den Händen (leicht angewinkelt im positiven Bereich) zeigt er einladende Gesten beim Aufrufen („das wirkt auch partizipativ“), wie man ein Thema gestisch umreißt oder auch wie man stilisiertes Abzählen einsetzt, um eine gedankliche Ordnung zu suggerieren.
Die Arme verschränken, auf jemanden zeigen oder den Zeigefinger erheben, sich ins Gesicht fassen oder die Hände in die Hosentaschen stecken (macht Doktor Specht öfter mal) – das sind für Lehmann allerdings No-Gos.
Fast alle Körpersprache-Expert/-innen beantworten die ultimative Einsteigerfrage „Wohin mit den Händen, wenn man nicht spricht oder gestikuliert?“ Während die Merkel-Raute oder zum Gebet verschränkte Hände eher steif wirken, rät Lehmann dazu, einen Stift in die Hand zu nehmen (Kreide geht natürlich auch). Das signalisiere den Schülerinnen und Schülern „Gleich wird etwas Wichtiges gesagt, was schriftlich festgehalten wird“ und binde dadurch ihre Aufmerksamkeit.
Kommunikations-Trainer Klaus Krebs zeigt in seinen Videos speziell für Lehrkräfte z. B., wie Sie den Lernenden bei der Vorstellung zweier Vorschläge den von Ihnen selbst präferierten schmackhaft machen: Vorschlag eins wird in der einen Hand gestisch kleiner und leichter gewogen, während Vorschlag zwei als gewichtiger und umfangreicher „gebärdet“ wird.
Sein Credo: Wir sehen nicht etwa mit den Augen, sondern mit dem Gehirn, zum Beispiel eine pantomimisch errichtete Mauer. Je öfter man sprechende Gesten wiederholt, desto deutlicher werden auch die Bilder im Kopf. Wer also beispielsweise eine eigene Lösung präsentiert, sollte sie gestisch groß machen und die Geste öfter einbauen. Mögliche Einwände dagegen sollten eher gestisch klein behandelt werden.
Enormen Einfluss auf Gesprächspartner hat auch begleitendes Nicken bzw. Kopf-Schütteln: Wer nickt, provoziert bei seinem Gegenüber ein zustimmendes Ja, wer den Kopf schüttelt, ein Nein (Spiegelneuronen).
Status ist keine Eigenschaft, sondern ein Verhalten
Kennen Sie Keith Johnstone? Er hat eine Weile lang als Lehrer gearbeitet, bevor er sich dann ganz dem Improvisationstheater zuwandte. Dabei entwickelte er Schauspielprinzipien für eine möglichst lebensnahe Darstellung, die auch für Lehrkräfte auf ihrer „Bühne im Klassenzimmer“ nützlich sind.
Johnstone beobachtete, „dass Menschen im realen Leben in jeder Situation entweder automatisch dominant oder unterwürfig sind“ und somit einen bestimmten Status einnehmen, so fasst Hildegard Kainzbauer in ihrem lesenswerten Aufsatz „Körpersprache und ‚Status‘ im Unterricht“ zusammen (S. 11). Status sei „also das Machtgefälle (...) zwischen zwei oder mehreren Personen“, wobei der eingenommene Status keine Eigenschaft einer Person ist, sondern „immer momentan“.
Hochstatus vs. Tiefstatus
Man kann jederzeit durch eine Verhaltensänderung zwischen Hoch- und Tiefstatus wechseln (ebd. S. 11 f.). Zunächst eine kurze Definition der beiden Verhaltensweisen nach Johnstone:
- Tiefstatus (Unterwürfigkeit) signalisieren „unsichere, fahrige, ruckartige, aber auch steife und tollpatschige Bewegungen“. Die Körperhaltung kann gebeugt, schlaff, starr oder verkrampft sein, und der Atem geht hektisch, flach oder stockend. Der Blick ist ruhelos oder wird schnell abgewendet. Und auch „kindlich bewunderndes Anhimmeln oder dummes Anglotzen“ deutet auf Tiefstatus hin (ebd.).
- Hochstatus (Dominanz) kennzeichnet sich durch „zielgerichtete, ruhige, bestimmte und feste Bewegungen“. Die Körperhaltung ist aufrecht, straff und gleichzeitig locker, der Kopf gerade, die Atmung ruhig. Menschen, die Hochstatus zeigen, berühren sich selbst nicht, höchstens „demonstrativ oder verführerisch“. Der Blick kann „niederstarrend“ sein oder auch „direkt (...), nicht zu lang, nicht zu kurz“ (ebd., S. 12).
Menschen haben oft einen bevorzugten Status, in dem sie sich wohler fühlen, so Johnstone. Wer aber führen bzw. als Lehrperson den Ton angeben soll und gleichzeitig „Tiefstatus praktiziert“, fällt aus der Rolle und hat vermutlich auch Disziplinprobleme in der Klasse. Und wenn eine Lehrkraft mit autoritärem Verhalten Hochstatus demonstriert, um den Schüler/-innen Respekt oder Angst einzuflößen (z. B. in Trump’scher Manier raumgreifender, entschlossener Gang, bohrender Blick), kann sie keine vertrauensvolle Beziehung zwischen Lehrperson und Lernenden herstellen.
Statusexperten: Wechsel zwischen Hoch- und Tiefstatus
Ideal ist hingegen der Statusexperte bzw. die Statusexpertin: Er agiert „jederzeit sozial angemessen“, weiß „sich zu benehmen“ und kommt „nie in peinliche Situationen“.
Dieser Typus kann „seinen Status gezielt heben“ (ebd., S. 14) – und eben auch senken: Zum Beispiel bei einem Schülerstreich, der es ja darauf anlegt, den Status der Lehrkraft zu verringern. Er kann mit den Kindern „spaßen“, schafft es aber auch „jederzeit wieder zu beruhigen und Konzentration herzustellen.“ (ebd., S. 13). Doktor Specht beherrscht das kontrollierte Wechselspiel zwischen Hochstatus und Tiefstatus hervorragend, es ist die Basis für seine Beliebtheit und Souveränität als Lehrer. Es ist wirklich spannend, sich die Interaktionen zwischen ihm und seinen Schüler/-innen daraufhin anzusehen.
Und oft schlägt auch sein Gegenüber eine geschickte Status-Volte: Sehen Sie sich zum Beispiel gleich in der oben verlinkten ersten Folge die Begegnung zwischen Specht und seinem Konkurrenten Rösler (ab min 2:49) an. Rösler spricht ihn auf dem Gang an, beide sind zunächst auf Augenhöhe. Schon in den ersten Sekunden ist Specht leicht dominant: Rösler möchte Specht kurz sprechen, deutet eine Berührung am Arm an (Gliedmaßen sind eher in der Peripherie und wenig vulnerabel), stoppt aber kurz vor dem Kontakt. Specht wendet sich Rösler kurz zu, um Röslers Bitte ironisch abzulehnen und seine Überlegenheit zu demonstrieren: „Tut mir leid, ich fliege heute. Womit ich nicht gesagt habe, dass ich von der Schule fliege, also bitte keine Vorfreude“, sagt er, deutet dabei ebenfalls eine Berührung seines Kontrahenten an (an der Brust in Herznähe!), und geht direkt weiter. Bis dahin 1 zu 0 für Specht, doch Rösler wechselt blitzschnell noch im Weggehen vom Tief- in den Hochstatus und entgegnet schlagfertig – mit einer deutlich nur gespielten Verbeugung – „Ich kann warten“. Hier verbindet sich virtuose Körpersprache auch noch mit geistreichem Wortwechsel, eine umwerfende Mischung!
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