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Portfolio-Arbeit

Mehr Autonomie beim Englischlernen

Die Arbeit mit Portfolios unterstützt Schüler im Englischunterricht darin, eigenverantwortlich und selbstständig zu lernen. Jeder Schüler fertigt eine individuelle Sammlung an, die seinen Lernstandfortschritt für ihn selbst und andere dokumentiert.

Portfolio-Arbeit: Mehr Autonomie beim Englischlernen Zum Thema Australien können die Schüler für ihr Englisch-Portfolio wählen, was sie selbstständig erarbeiten wollen, z. B. Infos zur Tierwelt des Kontinents © MrPreecha - stock.adobe.com

Moderner Englischunterricht beinhaltet viele verschiedene Aspekte. Kulturelle Räume kennenlernen (z. B. Indien, Malta oder Australien), induktiver Grammatikunterricht, Umgang mit Lektüren, Wörterbuchumgang (auch digital) sowie die Inkorporation von Digitalisierung. Ein sehr wichtiger Aspekt ist aber auch — im Rahmen des kompetenzorientierten Unterrichts — die Gewährleistung, dass Schüler eigenständiges und selbstverantwortliches Arbeiten lernen. Dazu soll an dieser Stelle die Erstellung einer Arbeitsmappe (besser bekannt als Portfolio) vor- und exemplarisch dargestellt werden.

Spätestens seitdem der Europarat den Referenzrahmen zum Sprachenlernen, Sprachenunterrichten und zur Beurteilung von Sprachkompetenzen — Lernen, Lehren und Beurteilen (Common European Framework of Reference for Language Learning, Teaching and Assessment) — in Auftrag gegeben hat, kursiert die Idee der Arbeitsmappe auch in den Schulen. Der Schüler soll also selbstständig eine ausformulierte, komplexe und themenbezogene Arbeit anfertigen, für die er selbst verantwortlich ist und die sich auf seinem sprachlichen Level befindet. Es soll ihm ermöglicht werden, etwas Eigenes herzustellen, für das er lernautonom arbeiten kann. Im Verlaufe dieser Vorstellung werden die Begriffe individuelle Förderung und Kompetenzorientierung erneut aufgegriffen und die Vorteile eines Portfolios in Bezug auf diese Begriffe evaluiert.

Viel Spielraum für selbstbestimmtes Arbeiten

Doch zunächst zur Praxis: Wir Lehrer sehen uns immer wieder mit der Herausforderung konfrontiert, Schüler motivational anzuleiten und ihnen Lerninhalte zu präsentieren, die sie ansprechen. Erschwerend hinzu kommt häufig die Tatsache, dass es schwierig ist, dem Schüler grammatikalische Inhalte schmackhaft zu machen und das Lernniveau auf eine komplexe Gruppe meist leistungsheterogener Schüler anzupassen.

Hier kommt das Portfolio ins Spiel. Die Vorteile sind offensichtlich: Lerntempo, Vorgehensweise, Gestaltung und Inhalt sind weitgehend autonom vom Schüler zu entscheiden. Wichtig sind lediglich Vorgaben, die dem Schüler einen Zeitraum für die anzufertigende Arbeit liefern sowie eine Auswahl an Inhalten, die sich jedoch immer an den Interessen der Schüler orientieren sollten.

So kann beispielsweise folgende Themenauswahl für die Unterrichtseinheit New Zealand — a country far, far away (als Beispiel für den Umgang mit einem weiteren englischsprachigen Land und dessen kultureller Hintergründe) so aussehen: political decisions of the past century; cultural development: from Maori culture to English oppression; NZ — a country of vast differences; volcanoes, ice and mountains — a country of climate extremes ... Ebenso ist überlegenswert, den Schüler selbstständig ein Thema entdecken und ihn nach Rücksprache dazu arbeiten zu lassen.

Binnendifferenziertes Lernen ohne Klassendruck

An dieser Stelle sei bereits ein kurzer Exkurs in die individuelle Förderung erlaubt. Gibt es lernschnellere Schüler in der Klasse, ist es immer ratsam, mit diesen ein besonders „schwieriges“ Thema zu überlegen. Denkbar ist auch die Verknüpfung zweier Themen, z. B. environment und economics. Ebenso kann dieser Schüler auch auf sprachlichem Niveau binnendifferenziert arbeiten. Man könnte z. B. erwägen, ihn spezielle, im Unterricht behandelte, grammatikalische Strukturen anwenden zu lassen, z. B. funktionaler Gebrauch von if-clauses. Gleiches gilt selbstverständlich auch für lernschwache Schüler — nur eben in umgekehrter Form.

Zurück zum Portfolio: Die beiden — bereits gefallenen — Schlagworte Lernautonomie und Eigenverantwortung sind zentrale Bestandteile, derer sich der Lehrer, der das Erstellen eines Portfolios in seinen Unterricht integrieren möchte, bewusst sein muss. Lernautonom zu arbeiten bedeutet hier: Dem Schüler muss ganz klar sein, dass er sein eigenes Lerntempo anwenden kann. Er arbeitet abseits vom Klassendruck individuell an einem Thema, das von ihm selbst und von niemand anderem geprägt wird. Diese Autonomie bewirkt, dass der Schüler das Produkt, das er am Ende abgeben wird, als sein eigenes ansieht — als etwas, das seine persönlich Note bekommen hat. Sicherlich nach Vorgaben des Lehrers, dennoch von ihm selbst bestimmt. Der Effekt ist, dass der Schüler realisiert, wie relevant sein Produkt ist. Der Lehrer muss verstehen, diese Arbeit in Szene zu setzen, sie wertzuschätzen. Das erstellte Portfolio ist also nicht Selbstzweck, sondern würdigt die Arbeit des Schülers in einer ganz besonderen Art und Weise.

Mit Motivation zum eigenen Produkt

Entscheidet sich der Schüler beispielsweise für das Thema volcanoes, ice and mountains — a country of climate differences, so kann er selbstständig entscheiden, welche Vulkane oder welche Bergketten er ansprechen möchte. Er kann sich entscheiden, ob seine Arbeitsmappe eher in Richtung Klima zielt oder eher in Richtung Geologie. Vielleicht hat er ja sogar bereits eigene Erfahrungen gemacht (z. B. Bergtouren in den Alpen) und kann diese in sein Portfolio mit einfließen lassen.

Diese Tatsache motiviert den Schüler. Und zwar dahingehend, dass er nicht wie üblich an einer großen Gruppe partizipiert, sondern dem Lehrer und vor allem sich selbst zeigen kann, was er ge- und bearbeitet hat, was seine Interessen sind und inwiefern er in der Lage ist, diese in eine zusammenhängende Arbeit zu integrieren. Das Ergebnis ist eben sein eigenes und nicht aus einem Unterrichtsgespräch oder aus Impulsen des Lehrers entstanden.

In diesen Bereich fällt auch der Begriff Eigenverantwortung. Dadurch, dass der Schüler (wie bereits erwähnt) selbst entscheidet, lernt er automatisch, dass er für sich selbst und für sein Handeln verantwortlich ist. Damit kommen aber auch Verpflichtungen: Er muss eine Deadline einhalten (einen Abgabetermin), er muss bestimmte formale Kriterien einhalten (z. B. Länge und Umfang, Schriftgröße, formale Gestaltung ...) und nicht zuletzt muss er inhaltlich und sachlich richtig arbeiten. Diese Aspekte stellen eine große Herausforderung dar, vor allem an jüngere Schüler, und der Lehrer sollte stets im Blick haben, dass er die Portfolio-Arbeit differenziert und genau anleiten muss.

Je früher Schüler mit dem Erstellen von Portfolios in Berührung kommen, desto früher lernen sie lernautonom und eigenverantwortlich zu arbeiten. Und damit ist der kompetenzorientierte Lehrplan in wichtigen Teilen erfüllt.

Tim Heidemann

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