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Verhaltensauffälligkeiten

Herausforderndes Verhalten: So reagieren Sie souverän!

Was ist, wenn Schulkinder häufig provozieren und durch Aggressionen oder permanente Unterrichtsstörungen auffallen? Wir zeigen Ihnen Praxiserprobte Strategien, die jede Lehrkraft umsetzen kann.

Verhaltensauffälligkeiten: Herausforderndes Verhalten: So reagieren Sie souverän! Im Unterricht läuft es nicht immer reibungslos © Vasyl - stock.adobe.com

Im Umgang mit Schülerinnen und Schülern „mit herausforderndem Verhalten“ sind Lehrkräfte oft ratlos: „Was soll ich bloß mit diesem Schüler bzw. mit dieser Schülerin machen?“ Mit dieser Frage wenden sich viele an Sonderpädagogen und -pädagoginnen, deren Arbeitsschwerpunkt im Förderbereich emotionale und soziale Entwicklung liegt („ES-Pädagoginnen und Pädagogen“). 

Ein Patentrezept gibt es leider nicht und auch nicht „genau die eine Maßnahme oder die eine Reaktion bei dem einen störenden Verhalten“, schreibt Georg Walbert in seinem Beitrag „Prävention und Intervention bei Unterrichtsstörungen und Verhaltensauffälligkeiten“. Doch unterstützt er Lehrkräfte mit einem umfangreichen Pool mit 70 praxiserprobten Maßnahmen, mit denen Sie im Umgang mit schwierigen Kindern und Jugendlichen alle Register ziehen können. Der folgende Beitrag stellt Ihnen dieses überaus nützliche Tool vor.

Das Wichtigste: „eine professionelle, konstruktive Beziehung“

Bewusst verzichtet Georg Walbert auf eine Hierarchisierung der Maßnahmen, die in Kooperation mit vielen ES-Pädagoginnen und -Pädagogen zusammengetragen wurden. Doch eine Maßnahme hält er für „grundlegend“: den „Aufbau einer tragfähigen Beziehung“, die auf Kontinuität der Bezugspersonen basiert und auf authentischem Interesse an der Schülerin/dem Schüler (Tenor: „Du bist mir wichtig! Du kannst mich nicht kündigen!“) (S. 3). 

Auch die bekannte Hattie-Studie weist ja darauf hin, dass eine gute „Lehrer-Schüler-Beziehung“ den Lernerfolg (gerade auch bei sozialem Lernen!) maßgeblich beeinflusst. Förderlich dafür sei eine „lernenden-zentrierte [sic!] Haltung“, die von Empathie, Wärme und Authentizität getragen ist (ebd.). – Das ist aber bei Kindern und Jugendlichen gar nicht so leicht, wenn sie z. B. häufig provozieren und durch Aggressionen oder permanente Unterrichtsstörungen auffallen.

Georg Walbert rät Lehrkräften daher, die eigene Wahrnehmung regelmäßig zu reflektieren; und dabei auf „Sympathien, Vorurteile, Empfindlichkeiten, Auslöser/Trigger“ zu sehen (S. 5, Maßnahme 19). Ganz wichtig in diesem Zusammenhang ist Georg Walberts Empfehlung „Nicht alles persönlich nehmen.“ (S. 2) Wie das gelingen kann, zeigt der Beitrag „Wie Sie mit Kränkungen umgehen sollten“ hier in Ihrem Lehrerbüro.

Den Schüler/die Schülerin „sehen“

Fühlen sich Kinder oder Jugendliche gesehen und ernst genommen, fassen sie eher Vertrauen zur jeweiligen Bezugsperson und sind bereit, etwas anzunehmen. Deshalb ist es wichtig, dass die Lehrkraft viel über die Betreffenden weiß: Was macht er/sie gerne? Wie ist die aktuelle Lebenssituation? Was bewegt ihn/sie? Welche Themen und Methoden passen? Welche Lernvoraussetzung bringt er/sie mit? 
Auf einem möglichst facettenreichen Wissen über das jeweilige Kind/den jeweiligen Jugendlichen basieren zahlreiche Maßnahmen im Katalog:

  • Kenntnis der individuellen Lernvoraussetzungen, um Vertrauen in die Selbstverantwortlichkeit des Kindes für sein Lernen setzen zu können, ohne zu über- oder unterfordern; (S. 3, Maßnahme 7)
  • Die Interessen und Ressourcen der jeweiligen Schüler/-innen sollten bekannt sein, damit man sie bei der Auswahl und Durchführung von Unterrichtsinhalten einbeziehen kann; (S. 3, Maßnahme 9)
  • Kenntnis der individuellen Fähigkeiten und Fertigkeiten, um sie hervorheben und „systematisch positive Rückmeldung“ geben zu können (S. 4, Maßnahme 13) usw.
  • Kenntnis der Stressoren bzw. der Trigger des Kindes/des Jugendlichen (und der eigenen Trigger!), um nicht unvermutet in eskalierende Situationen zu geraten (S. 4, Maßnahmen 12 und 17)

Georg Walbert empfiehlt außerdem, einmal pro Schuljahr einen Hausbesuch zu machen, um das direkte Lebensumfeld kennenzulernen (S. 7, Maßnahme 36). Das kostet zwar Zeit und vielleicht auch Überwindung, hat aber viele Vorteile: Die Lehrkraft signalisiert der Schülerin/dem Schüler proaktives Interesse („Du bist mir wichtig!“), und sie kann sich ein Bild von der Lebenssituation des Kindes/des Jugendlichen machen. Auch die Kooperation mit den Erziehungsberechtigten kann dabei angestoßen bzw. intensiviert werden.

Besonnen statt impulsiv reagieren

Erziehungsschwierige Situationen entstehen oft unvermittelt, und Sie als Lehrkraft müssen spontan handeln. Dem ersten Impuls nachzugeben ist dann keine gute Idee, so Georg Walbert. Er rät vielmehr dazu, eine kurze „Besinnungspause“ einzulegen, um kurz die Perspektive „und die Erlebnisebene“ des Schülers/der Schülerin einzunehmen.

In jedem Fall sollte man problematisches Verhalten immer „zeitnah“ spiegeln bzw. rückmelden (S. 5, Maßnahme 21): „Stopp, so nicht!“ oder „Ich habe dich gesehen!“ Persönliche Emotionen wie Betroffenheit und Ärger kann man ruhig deutlich machen, aber kontrolliert und ohne „pädagogischen Brüll“, wie Walbert es nennt. Ist die Wut auf eine/n Schüler/-in allzu groß, sollte man sich erst wieder „heruntercoolen“. Hilfreich dabei sind die Empfehlungen von Hirnforschern und Psychologen im Lehrerbüro-Beitrag „‚Ich bin so wütend!‘ – Ent-ärgern für Lehrer“.

Machtkämpfe sollten vermieden werden, rät Georg Walbert im Kontext der Maßnahme Nummer 6 „Unerwünschtes ein letztes Mal erlauben“ (S. 3). Hierbei ist der erste Schritt das Fehlverhalten „zu registrieren und ggf. zu kommentieren“, doch mögliche Konsequenzen stellen Sie nicht sofort, sondern für die Zukunft in Aussicht. Sie setzten praktisch eine Grenze und geben der Schülerin bzw. dem Schüler gleichzeitig eine letzte Chance.

Für den Fall, dass Ihnen auf die Schnelle nicht gleich eine adäquate Maßnahme einfällt, legen Sie sich Strategien zurecht, um sich Zeit zum Nachdenken oder für eine kollegiale Beratung zu verschaffen (S. 3, Maßnahme 5): z. B., indem Sie zunächst signalisieren, dass Sie den Vorfall ernst nehmen, und dann Konsequenzen zu einem festen, späteren Zeitpunkt ankündigen, z. B.: „Du kommst nach der Stunde zu mir, damit wir über den Vorfall sprechen!“

Anweisungen und Ansagen der Lehrkraft sollten klar und prägnant sein: formuliert als „Ich-Botschaften“ ohne „Drumherumreden“ und mit einem festen Stand im Klassenraum.

Grundsätzlich hilfreich (nicht nur in akuten) pädagogisch herausfordernden Situationen sind auch „klare, eindeutige Regeln und Strukturen“, auf die „klare und eindeutige Konsequenzen“ folgen (S. 3, Maßnahmen 2 und 3): Beides sollte transparent kommuniziert werden und „schriftlich oder/und in Symbolen“ im Klassenraum aushängen.

Geschlossenheit des Kollegiums grundlegend

Regeln und Konsequenzen bei Regelverstößen sind dann am wirksamsten, wenn sie von dem Kollegium – womöglich zusammen mit Schüler/-innen – gemeinsam entwickelt und gemeinsam getragen werden. Auf dieser Basis entsteht ein Schulklima, das schwächeren Schüler/-innen, die leichter in die Opferrolle geraten als andere, zunehmend mehr Sicherheit gibt: Das Zusammenleben in der Schule wird getragen von gemeinsamen Werten, die von allen verbindlich einzuhalten sind. Für die einzelne Lehrkraft ist das allein schon sehr entlastend. Und „Spielchen“, bei denen eine Lehrkraft gegen die andere ausgespielt wird, sind dann kaum noch möglich.

Auch sonst bietet eine gute innerschulische Kooperation der Erziehenden viel Entlastungs-Potenzial (vgl. dazu den Beitrag „Verhaltensauffälligkeiten begegnen Sie am besten im Team!“.

Erweitern Sie Ihr Repertoire

Ob Sie Schüler/-innen klare Grenzen setzen oder sie unterstützen möchten – die Maßnahmen zeigen manchmal überraschend wirksame Wege auf, um in pädagogisch herausfordernden Situationen zu intervenieren. Probieren Sie gezielt immer wieder neue Maßnahmen aus – oft ist es überraschend einfach, destruktiven Dynamiken und permanenten Unterrichtsstörungen vorzubeugen oder Konflikte zu deeskalieren, zum Beispiel, indem Sie für einzelne Kinder oder Jugendliche für einen gewissen Zeitraum eine individuelle Pausenregelung veranlassen oder die Sitzordnung verändern.

Martina Niekrawietz


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