Unterrichtsstörungen effizient begegnen
Nichts ist für den Lernprozess störender als regelwidriges Verhalten von Schülern, die aufgrund eines Aufmerksamkeitsdefizits durch negatives Verhalten um die Anerkennung von Lehrer und Mitschülern buhlen. Hier ist es für den Lehrer wichtig, die Gründe zu verstehen, aber auch konsequent und effizient zu handeln.

„Pack deine Flasche jetzt in deine Tasche“, fordert die Klassenlehrerin Philipp auf. Missmutig steckt Philipp seine Trinkflasche in den Ranzen. Zwei Minuten später kippelt er auf seinem Stuhl. Nun wird er zum ruhigen Sitzen von der Lehrerin aufgefordert. Er sitzt jetzt zwar ruhig auf seinem Stuhl, fängt aber an, sein Mäppchen auszuschütten und das Unterrichtsgespräch erneut zu stören. Unterrichtsstörungen wie diese — ob bewusst oder unbewusst herbeigeführt — kennt jeder Lehrer. Bei jeder Störung wird der Gesprächs- und Lernprozess für alle Schüler unterbrochen, weil ein oder mehrere Schüler dem Unterricht nicht folgen können und die Aufmerksamkeit meist bewusst und provozierend durch störendes Verhalten auf sich ziehen. Um die Störungen zu unterbinden, muss man sowohl die Ursachen bekämpfen als sich auch geeignete Maßnahmen gegen das störende Verhalten überlegen.
Gründe für störendes Verhalten
Die Gründe für die permanente oder wiederkehrende Störung des Unterrichtsgeschehens sind vielschichtig. Doch in der Regel möchten Schüler durch störendes Verhalten ein Ziel erreichen: die Aufmerksamkeit von Lehrer und Mitschülern. Viele Schüler, die sich nicht durch gute Leistungen hervorheben, versuchen anders aufzufallen und nehmen dazu auch negative Aufmerksamkeit in Kauf. Neben mangelhaften schulischen Leistungen und damit verbundenem Schulstress kann auch die familiäre Situation mit wenig Anerkennung und Aufmerksamkeit im häuslichen Umfeld ein Grund sein. Nicht zu unterschätzen sind auch die Beziehungsstrukturen in der Klasse. Schülerinnen und Schüler, die sich in der Gruppe ausgeschlossen oder nicht anerkannt fühlen, buhlen durch Aufmerksamkeit und den Applaus der Gruppe für ihr provokantes Verhalten um die Gunst der Mitschüler.
Eine Unterrichtsstörung liegt immer dann vor, wenn der Gesprächs-, Arbeits- oder Lernprozess unterbrochen wird. Dies kann durch Kommentare, Geräusche, Bewegungen, Trinken und Essen, Herumlaufen, Kramen oder Schwätzen mit anderen Kindern der Fall sein. Zu unterscheiden ist dabei, ob der Schüler dies bewusst oder unbewusst einsetzt. Gerade in den ersten Schuljahren haben viele Schüler noch nicht die Konzentrationsspanne, die langes Zuhören, stilles Arbeiten oder ruhig auf dem Stuhl sitzen ermöglicht. Hier sind Wechsel der Sozialformen nötig, um Unterbrechungen durch die Schüler zu vermeiden.
Oft jedoch stören Schüler den Unterricht für den Preis der Aufmerksamkeit bewusst.
Bei störendem Verhalten Präsenz zeigen
Zunächst ist es wichtig, Regeln für Unterrichtsphasen wie Sitzkreis, Plenum, Unterrichtsgespräch und Arbeitsphasen zu vereinbaren. Anderen zuhören, leise arbeiten, sich melden, wenn man etwas sagen will und auf „Stopp“ hören sind hier die Basics. Auf diese Regeln kann immer wieder verwiesen werden.
Zur Einhaltung dieser Regeln ist die Präsenz des Lehrers gefragt. Er sollte grundsätzlich nur sprechen, wenn alle aufmerksam zuhören, am besten alle Sachen vom Tisch räumen und das Mäppchen schließen. Wird er oder ein anderer sprechender Schüler unterbrochen, sollte er sofort in seiner Rede stoppen, um den „Unterbrecher“ nonverbal auf sein Fehlverhalten aufmerksam zu machen. In der Regel bemerkt derjenige dann sofort, dass er spricht, während er zuhören sollte und wird aufmerksam. Gelingt dies nicht, sollte der Lehrer immer noch nonverbal das Kind mit einem strengen Blick ermahnen, eventuell durch Nennen des Namens des Kindes auf sein Reinreden aufmerksam machen.
Redet er oder sie wieder dazwischen, kommt die höfliche Bitte mit Hinweis auf die Regeln, leise zu sein, wenn ein anderer spricht. Neben der Präsenz durch Blicke, Zeichen und Namensnennung wirkt die körperliche Präsenz des Lehrers in der Regel. Hierbei setzt sich der „Störer“ im Sitzkreis neben den Lehrer bzw. der Lehrer wandert im Klassenraum in die Nähe des störenden Kindes und stellt sich beobachtend neben ihn.
Je klarer die Gesprächsregeln vereinbart sind, desto mehr wirken nonverbale Blicke, Gesten oder Nähe, die den Unterrichtsfluss nicht unterbrechen, dem störenden Schüler aber zeigen, dass er etwas falsch macht.
Vorgehensweise bei besonders schwierigen Fällen
Bei hyperaktiven Schülern hilft es, sie während langer Phasen, in denen sie zuhören müssen, sinnvoll zu beschäftigen. Dies können Aufgaben sein wie die Rolle des Zeitwächters, die Koordination der Wortbeiträge, das Notieren des Gesagten in Wort oder Bild oder die Bereitstellung von Material. Als „Assistent“ des Lehrers kommt dem Schüler eine Bedeutung zu, in der er Aufmerksamkeit bekommt und nicht weiter auffallen muss. Zudem wird seinem Bewegungsdrang durch die Erledigung eines Auftrags entgegengekommen.
Bei Schülern, die immer wieder stören und provozieren, hilft eventuell ein Gespräch, in dem herausgearbeitet wird, warum sie stören. Oft ist es hier hilfreich, wenn der Lehrer sie damit konfrontiert, dass sie stören, weil sie Aufmerksamkeit möchten und mehr gesehen, angenommen und wertgeschätzt werden wollen. Gemeinsam kann überlegt werden, was sie benötigen und auch geben können, um dieses Ziel positiver zu erreichen. Es könnte hier eine Zielvereinbarung zwischen Lehrer und Schüler getroffen werden wie beispielsweise: „Mein Lehrer nimmt mich öfter dran oder gibt mir Spezialaufträge. Ich suche mir im Sitzkreis einen Platz, an dem ich lange zuhören kann.“
Helfen all diese Maßnahmen wie klare Regeln, nonverbale Signale, Extraplatz, Spezialaufträge, Zielvereinbarung etc. nicht, so muss der Lehrer zu pädagogischen Maßnahmen greifen. Sie orientieren sich an der jeweiligen Eskalationsstufe. Dies könnte zunächst die Aufforderung zu einer eigenen Konsequenz sein: „Dein störendes Verhalten heute im Sitzkreis war so unerträglich, dass ich dich ausschließen werde, wenn du mir nicht sagst, wie du dein Verhalten beim nächsten Mal ändern willst!“ Im nächsten Schritt die Ankündigung der Konsequenz, dass der betreffende Schüler vom Sitzkreis ausgeschlossen wird. Diese muss bei weiterem Stören ohne Zögern auf die Ankündigung folgen. Der Schüler wird vom Sitzkreis ausgeschlossen und muss sich auf seinen Platz am Tisch setzen.
Ein Gespräch nach der Stunde kann diese Situation verdeutlichen: „Weißt du, warum du den Sitzkreis verlassen musstest? Was wirst du beim nächsten Mal anders machen?“ Dadurch erhält der Schüler die Chance, sein Fehlverhalten wiedergutzumachen und zu korrigieren. Eine weitere Chance, die er in der Regel auch ergreift. Bei regelgerechtem Verhalten sollte dieses dann auch positiv bewertet werden. Stört dieser Schüler weiterhin, dann muss man eventuell mit Ordnungsmaßnahmen drohen wie den vorübergehenden Ausschluss aus der Klasse nach vorhergehender Elterninformation.
Immer wieder sollte sich der Lehrer professionell verhalten: Das provokante Verhalten nicht persönlich nehmen, empathisch, ruhig, aber auch konsequent reagieren, Regeln transparent machen und über die Regelbrüche mit den Schülern sprechen — und immer wieder durch Körperhaltung, Blicke und Gesten auch nonverbal Präsenz zeigen.
Mehr zu Ratgeber Umgang mit Konflikten